1. Szene: "Liebe, Schwindel usw. ..." (Seite 45 bis 47)

Ort der Handlung:

Ende der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts, später Abend, Berlin, in der Autowerkstatt der drei Kameraden, ein Cadillac, ein Ford (Unfallwagen), im Hof steht ein blühender Pflaumenbaum

Die Personen:

- Robby, Robert Lohkamp, gerade Dreißig geworden, Frontkämpfer im Weltkrieg, Abiturient

- Otto Köster, Autoschlosser, Rennfahrer, Kriegskamerad, später Jagdflieger

- Gottfried Lenz, genannt "Der letzte Romantiker", Autoschlosser, Kriegskamerad

Die Darsteller:

- Robby:                  Marcel König

- Köster:                  Florian Schmidt

- Lenz:                     Chung Vu

- Zwischentexte:      

Kostüme:                Blaumänner, Schiebermützen

Bühnenbild:           Kfz-Werkstatt, Autos der 20er Jahre, Autoteile, ein blühender Birnbaum, 

Requisiten:            Kfz-Werkzeug, Rum-Flaschen, Bierflaschen, Käse, Brot, steinharte Räucherwurst und Sprotten

Musik:                    Musik von damals

Andere Quellen:     historische Pkw, 20er und 30er Jahre (Politik, Wirtschaft, Kultur), zu Remarque (Lebenslauf usw.), über das Buch (Kritiken usw.)

 

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Robby (Text):

In der Bude war Licht. Nicht nur in der Bude - auch der ganze Hof war überflutet. Köster war allein da.

Robby:

Was ist denn hier los, Otto? Hast du vielleicht den Cadillac verkauft?

Köster (lacht):

Nein. Gottfried hat nur ein bißchen illuminiert:

Robby (Text):

Beide Scheinwerfer des Cadillac brannten. Der Wagen war so geschoben, daß die Lichtgarben durch das                                     Fenster in den Hof fielen, mitten auf den weißblühenden Pflaumenbaum. Es sah wunderbar aus, wie er so                                     kreidig dastand. Die Dunkelheit zu beiden Seiten schien wie ein schwarzes Meer zu rauschen.

Robby:

Großartig! Wo ist er denn?

Köster:

Er holt was zu essen.

Robby:

Glänzende Idee. Fühle mich so ein bißchen windig. Kann aber sein, daß es bloß Hunger ist.

Köster (nickt):

Essen ist immer gut. Hauptgesetz aller alten Krieger. Ich habe heute nachmittag auch was Windiges gemacht. Habe Karl zum Rennen gemeldet.

Robby:

Was? Etwa zum Sechsten?

Köster  (nickt)

Robby:

Verdammt noch mal, Otto, da starten doch allerlei Kanonen.

Köster (nickt wieder):

In der Sportwagenklasse Braumüller

Robby (krempelt sich die Ärmel auf):

Dann 'ran, Otto! Große Ölwäsche für unseren Liebling.

Lenz (tritt auf):

Halt, erst futtern!

Robby (Text):

Er packte das Abendbrot aus - Käse, Brot, steinharte Räucherwurst und Sprotten. Dazu tranken wir gut gekühltes Bier. Wir aßen wie eine Kolonne ausgehungerter Drescher. Dann gingen wir Karl zu Leibe. Zwei Stunden arbeiteten wir an ihm herum und kontrollierten und schmierten alle Lager. Hinterher aßen Lenz und ich zum zweitenmal Abendbrot. Gottfried beleuchtete jetzt auch den Ford. Durch Zufall war bei dem Zusammenstoß einer der Scheinwerfer heil geblieben. Der starrte nun von dem hochgebogenen Chassis schräg hinauf in den Himmel.

Lenz drehte sich zufrieden um.

Lenz:

So, Robby, nun hol mal die Flaschen. Wir wollen das 'Fest des blühenden Baumes' feiern.

Robby (Text):

Ich stellte den Kognak, den Gin und zwei Gläser auf den Tisch.

Lenz:

Und du?

Robby:

Ich trinke nichts.

Lenz:

Was? Warum nicht?

Robby:

Weil ich keine Lust zu dieser verdammten Sauferei mehr habe.

Robby (Text):

Lenz (betrachtete mich eine Weile)

Lenz (zu Köster):

Unser Kind ist übergeschnappt, Otto.

Köster:

Laß ihn doch, wenn er nicht will.

Lenz (schenkt sich ein):

Der Junge ist schon seit einiger Zeit etwas verrückt.

Robby:

Ist doch nicht das Schlechteste.

Robby (Text):

Der Mond kam groß und rot hinter dem Dach der Fabrik gegenüber hervor. Wir saßen eine Weile und schwiegen.

Robby:

Sag mal, Gottfried, du bist doch ein Fachmann in der Liebe, nicht?

Lenz ("bescheiden"):

Fachmann? Ich bin der Altmeister der Liebe.

Robby:

Schön. Ich möchte nämlich mal wissen, ob man sich eigentlich dabei immer blödsinnig benimmt.

Lenz:

Wieso blödsinnig?

Robby:

Na, so als ob man halb betrunken ist. herumredet und Unsinn quatscht und schwindelt.

Lenz (bricht in ein Gelächter aus):

Aber Baby! Das Ganze ist doch Schwindel. Ein wunderbarer Schwindel von Mama Natur. Schau dir den Pflaumenbaum an! Er schwindelt auch gerade. Macht sich schöner, als er ist. Es wäre ja scheußlich, wenn die Liebe was mit Wahrheit zu tun hätte. Gott sei Dank, alles können diese verdammten Ethiker doch nicht unterjochen.

Robby (richtet sich auf):

Du meinst, ohne etwas Schwindel geht's überhaupt nicht?

Lenz:

Überhaupt nicht, Kindchen.

Robby:

Kann man sich aber doch verflucht lächerlich durch machen.

Lenz (grinst):

Merke dir eins, Knabe: Nie, nie, nie kann man sich lächerlich bei einer Frau machen, wenn man etwas ihretwegen tut. Selbst beim albernsten Theater nicht. Mach, was du willst - steh kopf, rede den dümmsten Quatsch, prahle wie ein Pfau, singe vor ihrem Fenster , nur eins tu nicht; sei nicht sachlich! Nicht vernünftig!

Robby (wird lebendig):

Was meinst du dazu, Otto?

Köster (lacht):

Wird wohl stimmen.

Robby (Text):

Er stand auf und klappte Karls Motorhaube auf. Ich holte meine Rumflasche und ein Glas und stellte sie auf den Tisch. Otto ließ den Wagen an. Der Motor schlurfte ganz tief und verhalten. Lenz hatte die Füße auf der Fensterbank und starrte hinaus. Ich setzte mich neben ihn.

Robby:

Warst du schon mal betrunken, wenn du mit einer Frau zusammen warst?

Lenz (rührt sich nicht):

Oft.

Robby:

Und?

Lenz:

Du meinst, wenn man dann was verboxt hat? Nie entschuldigen, Baby. Nie reden. Blumen schicken. Ohne Brief. Nur Blumen. Die decken alles zu. Sogar Gräber.

Robby (Text):

Ich sah ihn an. Seine Augen glitzerten im Widerschein des weißen Lichtes draußen. Der Motor lief immer noch, leise grollend, als bebe unter uns die Erde.

Robby (macht die Flasche auf):

Könnte nun eigentlich auch was trinken.

Köster (stellt den Motor ab und wendet sich an Lenz):

Der Mond ist jetzt hell genug, um ein Glas zu finden, Gottfried. Mach die Illumination aus. Besonders den Ford. Das Biest erinnert mich mit dem schrägen Scheinwerfer an den Krieg. War kein Spaß nachts, wenn die Dinger nach dem Flugzeug langten.

Lenz (nickt):

Und mich erinnert das da - na ist ja egal ...

Lenz steht auf und macht den Scheinwerfer aus.

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